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Tagungsberichte

Silvestertagung 2010/2011 – Die Bibel – ein Buch mit sieben Siegeln

By 4. Januar 2011August 23rd, 2022No Comments

Neujahrspredigt 2011 zu Eph 4, 1 – 16 Ökumene – Burg Rothenfels:

1.1.11 – der erste Tag des neuen Jahres. Die Zahl Eins.
Auch mein Predigttext befasst sich mit der Eins.

Literatur zum Tagungsthema:

  • Baumann, Gerlinde, Gottesbilder der Gewalt im Alten Testament verstehen, Darmstadt 2006.
  • Dietrich, Walter/ Link, Christian, Die dunklen Seiten Gottes, 2 Bde.,  Neukirchen-Vluyn, 1.Aufl. 1995/2000.
  • Dietrich, Walter/ Mayordomo, Moisés, Gewalt und Gewaltüberwindung in der Bibel, Zürich 2005.
  • Krahe, Susanne, Ermordete Kinder und andere Geschichten von Gottes Unmoral, Würzburg 1999.
  • Krieger, Klaus-Stefan, Gewalt in der Bibel (Münsterschwarzacher  Kleinschriften 134), Münsterschwarzach 2002.
  • Zenger, Erich, Ein Gott der Rache? Feindpsalmen verstehen, Freiburg 1994.

Eph 4, 1 – 6 + 11 – 15

Eins für Einheit. Wir werden behaftet und kritisiert in unserer Uneinheit, unserer Getrenntheit, unseren Spaltungen.
Das Thema dieses Abschnitts ist die Einheit, die Einheit in Christus, die Einigkeit im Geist.
Doch diese Einheit ist auf Erden eben nicht gegeben. Wir sind in vielfältige Kirchen und Konfessionen zerfallen. Das war zur Zeit der ersten Christen nicht viel anders. Es beginnt die Ausformung der Gemeinden, unterschiedliche Aufgaben und Funktionen entstehen. Wir spüren hinter dieser Schilderung, dass es dabei nicht einfach zugeht, das es Auseinandersetzungen gibt, unterschiedliche Entwicklungen. Man will deshalb den Rahmen und auch die Spielräume abstecken.

Und so nimmt ein Schüler des Paulus dessen Bild von dem einen Leib (Röm 12 und 1.Kor 12) auf. Dafür wendet er den Blick auf die vielfältigen Gemeinsamkeiten, auf das Verbindende und damit auf die Wurzeln – ganz so wie es die beiden ökumenischen Kirchentage versucht haben.

Das Zentrum von allem ist eindeutig Jesus Christus, die Liebe, das Band des Friedens. Er hält / Sie halten alles und alle zusammen zu einer Einheit, niemand sonst – sein Geist ist der einzige Garant der Einheit – kein Mensch, kein Amt, keine Institution. Um das zu unterstreichen verweist der Autor des Briefes auf die notwendigen Tugenden, die dafür notwendig sind: Freundlichkeit, Geduld, Nachsicht, Liebe, Wahrhaftigkeit, Gemeinschaftssinn.
Er macht deutlich, daß die Einheit eine Aufgabe ist, die es gilt anzunehmen, aufzunehmen und zu erhalten, Arbeit halt.
Sie ist zwar in und durch Christus vorhanden, aber muß in der Welt immer wieder neu erarbeitet werden; sie ist immer wieder in Gefahr und bedarf auch der innerkirchlichen Versöhnungsarbeit. Denn es gibt zu viele falsche Geister, Täuschungen, Irrlehren, Beliebigkeiten, falsches Spiel.

Doch dazu müssen wir erst noch reif werden, um das richtig zu entscheiden und den richtigen Weg zu gehen; wir sollen mündige Kinder werden, so heißt es, selbstbestimmt, reflektiert. Jeder Christ solle mündig sein und werden die Botschaft der Bibel zu lesen und zu verstehen – das Thema auf der Burg, d.h. eben auch: kein Mensch, kein Funktionsträger gibt ihm das letztlich vor, legt es fest, formuliert, was zu glauben ist und was nicht – sie können allenfalls Hilfestellung geben. Keiner hat uns zu sagen was wir zu glauben haben. Das hat jeder einzelne aus dem Evangelium selbst zu lernen.
Und das schaffen wir, so der zweite Teil des Textes, indem wir erst einmal unsere Gaben zusammen tun und in den Dienst der Gemeinde, der Gemeinschaft, des Leibes und so die lebendige Verbreitung des Evangeliums stecken, durch diese die Gemeinde zurüsten und dem Glauben wachsen helfen.
Daraus ergeben sich wiederum unsere unterschiedlichen Aufgaben, die im Geist der Liebe die Gemeinde aufbauen sollen.
Die Einheit aber ergibt sich durch sieben Zeichen: ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater. Sie konstituieren die Einheit, in ihr besteht sie, sie sind die Grundlage, sie gewährleisten sie auch.

Doch die Realität hat sich anders entwickelt, und da steht dann nicht mehr ein Geist, ein Glaube, eine Taufe.
Und die Taufe haben 11 Gliedkirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) auch erst 2007 als Sakrament der Einheit wechselseitig anerkannt. – Und doch wird sie weiterhin getrennt vollzogen.

Und damit stoßen wir auf das, was nicht unter diese 7 Zeichen der Einheit fällt, auch in den Paralleltexten – und das Nicht-Gesagte ist oftmals noch interessanter: Es ist das Mahl und das Amt.

Der für viele Christen zentrale Punkt, das Abendmahl, die Eucharistie als sichtbares Zeichen der Uneinheit, fehlt in dieser Liste. Es wird anscheinend den Gemeinden und Traditionen überlassen – oder war es überall gleich? – Aber dagegen spricht schon die Kritik des Paulus in Korinther 11. Das „Daß“ nicht das „Wie“ zählt, dass es gefeiert wird im Gedächtnis an unseren Herrn, nicht wie es gefeiert wird.

Und erst recht fehlt das Amt. Dieses wird nämlich in diesem Text als vielfältig geschildert, es sind einzig unterschiedliche Aufgaben, je nach den Gaben: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten Lehrer, werden genannt. Keiner ist über dem anderen, keine Aufgabe höher oder besser, nur Gott steht darüber.

Und so ist jeder einzelne von uns gefordert dort seine Entscheidung aus der Erkenntnis der Bibel heraus zu fällen, welchen Weg und welchem Verständnis er folgt, so wie ihm der Geist eingibt – und das ergibt eben dann immer auf neue Weise eine Einheit in Vielfalt, so wie sich Ökumene definiert – bis hin eben auch zu Ämtern und Abendmahl. –

Wir sind Geschwister, hieß es im christlichen Sprachgebrauch unter Getauften – und was gilt für Geschwister: mehrere Verschiedene, mit Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten; in manchem geht jeder seine eigenen Wege, anderes machen wir zusammen – aber wir kommen von denselben Wurzeln.

So ruft uns der Text – und ein neues Jahr ist für viele wie ein Neuanfang – indirekt dazu auf, in uns zu gehen und unsere Irrwege und Fehlentscheidungen in dieser Richtung zu bedenken, für uns persönlich und als Gemeinden und Kirchen, und neue Wege zu gehen – die Burggemeinschaft hat diesen Weg schon beschritten.

Deshalb müssen wir bekennen:

  • wir sind keine Einheit, wir leben die Einheit nicht sichtbar; wir bilden nicht den einen Leib ab;
  • der eine Geist wirkt und doch wird er nicht sichtbar durch uns;
  • wir verkündigen die eine Hoffnung, aber erscheinen selber oft als Hoffnungslose;
  • wir haben einen Herrn, aber dienen doch mehreren;
  • wir haben den einen Glauben, aber er formuliert sich in widersprechenden und ausschließenden Vorstellungen;
  • wir haben die eine Taufe, aber Amtsverständnisse und Personen stehen dem entgegen, dass wir sie unseren Kindern gemeinsam weitergeben.

Was wir tatsächlich und als einziges von den 7 Zeichen der Einheit haben ist: wir haben einen Gott und Vater, er ist Garant der Einheit in Jesus Christus durch seinen Geist. Das können wir nicht trennen. Darin liegt unsere Zuversicht und Hoffnung bei aller Uneinheit. Er ist das Band des Friedens, drei in ein, Einheit in vielfältiger Erscheinungsweise.