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Quickborn 1945 bis 1946

Unterschiedliche Perspektiven kennzeichnen die Sicht der Quickborner aus der Vorkriegszeit und der Nachkriegsquickbornerinnen und -quickborner auf den Bund Quickborn: Die „Alten“ sahen einen  „Neubeginn ohne Glanz“ – und die „Jungen“  erlebten nie gekannte Erfahrungen neuer Geschwisterlichkeit.

Auch in der Nachkriegszeit engagierten sich Quickbornerinnen und Quickborner  in der Auseinandersetzung mit wichtigen Zeitfragen jener Zeit. Mit kritischem Abstand, einer grundsätzlich abstinenten Haltung und aus der Kraft einer kleinen Gemeinschaft gestalteten sie ihr Leben selbstbestimmt und blieben erstaunlich immun gegen Einflüsse der „entstehenden Wohlstands- und Massenkonsum-Gesellschaft“. Ein Beispiel für das eigenständige Denken gegenüber Ideologien der Adenauerzeit und des Kalten Krieges findet sich im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnungsdebatte im BDKJ. Trotz allen innerbündischer Auseinandersetzungen bestand immer wieder das Einvernehmen, wie wichtig Bund und Burg seien und dass die Jungen bei aller Eigenständigkeit auch Rat und Hilfe der Älteren hören und erfahren konnten. Genau so so akzeptierten die Älteren die neuen Wege, die die Jüngeren auf Basis der von ihnen gemachten Erfahrungen gingen.

Hervorzuheben ist das Festhalten an der Ehrenamtlichkeit im Quickborn. Dies ist besonder im Hinblick auf die andernorts zu sehende Professionalisierung der Arbeit und den Einsatz hauptamtlicher Mitarbeiter. Auch die Leitung der Burg basiert bis heute in wesentlichen teilen auf der Leistung von ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Für viele aus dem Nachkriegsquickborn gilt sicher, was Johannes Binkowski in seinen Memoiren „Wege und Ziel“ (S. 38) als das im Quickborn Erfahrene und Gelernte zusammenfasst:

„Geistige Beweglichkeit und Selbständigkeit, Liebe zum Einfachen, zum Volkstum in Musik und Spiel, Aufgeschlossenheit für Volksbildungsarbeit und Offenheit für die Probleme der Zeit. Achtung vor dem gesprochenen und geschriebenen Wort, Verbundenheit mit dem kirchlichen Leben, auch wenn wir neue Wege gingen, Völkerversöhnung und Überwinden der nationalen Grenzen sind einige der Werte, die mir hier nahegebracht wurden. Sie haben meinen Lebensstil mitgeformt.“

Der Wiederbeginn des Quickborn nach 1945 wurde von den neu dazugekommenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr viel positiver erlebt als von den verbliebenen Vorkriegsquickbornern. Sie stellten besonders hohe Ansprüche, da sie den Bund immer an seinen „großen“, in der Rückschau oft verklärten Zeiten maßen. Der verstorbene Historiker Meinrad Schaab, damals ehrenamtlicher Leiter des Burgarchivs auf Rothenfels, formulierte in seinem Referat „Burg und Bund 1946 bis 1974“ bei der Rothenfelser Pfingsttagung 1979 das gemeinsame Empfinden der jungen Leute, die nach dem Krieg zum Quickborn fanden:

„Willi Mogge hat 1969 die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg für den Quickborn als Neubeginn ohne Glanz charakterisiert.... Für uns Jüngere sah das damals gewiß nicht so aus. Noch nie hatten wir eine Gemeinschaft erlebt, die ganz im Glauben und in der Kirche verwurzelt und doch innerlich frei und in ihren Lebensformen gelöst und fröhlich war. Nirgendwo sonst hatten wir eine  solche Brüderlichkeit über alle Generationen und über alle deutschen Landschaften und Stämme hinweg erfahren. Nirgendwo stand man so über den Beschwerlichkeiten, die in den damaligen Notjahren den Alltag oft unerträglich machten, wie hier. Auf den ersten Bundestagen hausten die Jüngeren auf Strohlagern oder in vollgestopften Armeezelten, verpflegte die Burg, von der noch nicht viel mehr als die großen Säle fast ohne vernünftiges Mobiliar wieder nutzbar waren, bis zu 1.000 Menschen aus Waschkesseln, und doch war eine solche Woche keine Massenveranstaltung, wie sie uns noch als Alptraum aus der ‚tausendjährigen’ Vergangenheit geläufig war, sondern ein einziges Fest im besten Sinne des Wortes.“

Eine weitgehend unbewusste, unschuldig-naiv unkritische Weiterführung von Traditionen wird auch in der Sprache des Nachkriegsquickborn deutlich. Wie in vielen anderen Gruppen aus der bündischen Jugend, findet man zunächst auch Bezeichnungen wie Bundeskanzler für den ehrenamtlichen Bundessekretär, Volkstum, echt („echte Kunst und Dichtung“), zuchtvoll, ritterlich oder auch Christliches Abendland. Bis in die 60er Jahre werden Formulierungen wie brüderlich (statt geschwisterlich), Gruppen- und Gauführer, Führerblatt, Gau, Thing trotz ihres Missbrauchs in der Nazizeit wie selbstverständlich verwendet. Auch werden Zeichen, z.B. Banner und Wimpel und – besonders bei den Jungen – auch immer wieder jungenschaftliche Kluft und die Kohte, der Feuerkreis, die Festliche Stunde zur Abzeichenverleihung verwendet.

Musik hatte immer schon einen hohen Stellenwert beim Quickborn. In den Gruppen, auf Fahrten, bei Treffen und Singewettbewerben wird viel gesungen. Zum Repertoire gehörten weiterhin Lieder aus der bündischen Zeit. Hinzu kamen dann bald auch weitere Lieder bspw. aus dem Altenberger Singebuch, der Neuen Fahrt und schließlich aus „Turm“ und Mundorgel. Die Mittelschicht und Älteren sangen verstärkt auch Lieder aus dem „Spielmann“ und mehrstimmige Chorsätze. Die Musik wurde traditionell mit den vielen Instrumenten begleitet. So blieb Rothenfels bis zum Bruch Mitte der 60er Jahre die singende Burg. Gerade auch durch den Quickborn-Arbeitskreis, der sich Mitte 1967 gründete, wurde diese Tradition auch auf der Burg engagiert weitergeführt..