Zwischen Trümmern, Tradition und neuem Aufbruch
Der Wiederbeginn des Quickborn nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt von einem spannenden Kontrast der Generationen. Während die „Alten“ aus der Vorkriegszeit den Neustart oft kritisch als „Neubeginn ohne Glanz“ empfanden, erlebten die neu dazugekommenen Jugendlichen etwas ganz anderes: Eine nie gekannte Geschwisterlichkeit und Gemeinschaft, die Hoffnung gab.
Ein Fest in den Trümmern
Für die jungen Menschen, die nach 1945 auf die Burg kamen, war Rothenfels ein Leuchtturm in dunkler Zeit. Der Historiker Meinrad Schaab, damals ehrenamtlicher Leiter des Burgarchivs, fasste dieses Lebensgefühl 1979 in Worte, die den Geist der Gründerjahre eindrücklich beschreiben:
„Noch nie hatten wir eine Gemeinschaft erlebt, die ganz im Glauben und in der Kirche verwurzelt und doch innerlich frei und in ihren Lebensformen gelöst und fröhlich war. […] Auf den ersten Bundestagen hausten die Jüngeren auf Strohlagern oder in vollgestopften Armeezelten, verpflegte die Burg […] bis zu 1.000 Menschen aus Waschkesseln, und doch war eine solche Woche keine Massenveranstaltung, wie sie uns noch als Alptraum aus der ‚tausendjährigen’ Vergangenheit geläufig war, sondern ein einziges Fest im besten Sinne des Wortes.“
Haltung zeigen: Kritisch und Eigenständig
Der Nachkriegs-Quickborn zog sich nicht ins Private zurück. Mit kritischem Abstand und aus der Kraft der Gemeinschaft heraus, setzten sich die Mitglieder mit den Fragen ihrer Zeit auseinander.
- Gegen den Strom: Man blieb erstaunlich immun gegen die aufkommende „Wohlstands- und Massenkonsum-Gesellschaft“.
- Politisch wach: Ein Beispiel für das eigenständige Denken war die kritische Haltung zur Wiederbewaffnungsdebatte im BDKJ und zur Ideologie des Kalten Krieges.
Dabei blieb das Prinzip der Ehrenamtlichkeit stets der Kern unserer Arbeit – ein entscheidender Unterschied zu der zunehmenden Professionalisierung und Hauptamtlichkeit in anderen Verbänden. Bis heute wird auch die Burg Rothenfels in wesentlichen Teilen von Ehrenamtlichen getragen.
Werte, die bleiben
Was machte diese Zeit mit den Menschen? Johannes Binkowski fasste in seinen Memoiren zusammen, was er im Quickborn lernte – Werte, die für viele Generationen prägend wurden:
„Geistige Beweglichkeit und Selbständigkeit, Liebe zum Einfachen […], Aufgeschlossenheit für Volksbildungsarbeit und Offenheit für die Probleme der Zeit. Achtung vor dem gesprochenen und geschriebenen Wort, Verbundenheit mit dem kirchlichen Leben […], Völkerversöhnung und Überwinden der nationalen Grenzen […]. Sie haben meinen Lebensstil mitgeformt.“
Der Umgang mit der Tradition
Rückblickend muss auch kritisch festgestellt werden, dass der Nachkriegs-Quickborn Traditionen und Sprache der bündischen Jugend oft unbewusst und naiv fortführte. Begriffe, die durch die Nazizeit belastet waren (wie „Gau“, „Führerblatt“, „Volkstum“ oder „zuchtvoll“), wurden teils bis in die 60er Jahre verwendet. Auch äußere Zeichen wie Kluft, Kohte, Banner und feierliche Rituale wurden unhinterfragt aus der Vorkriegszeit übernommen. Erst spät setzte hier ein Prozess der Reflexion ein.
Die singende Burg
Ein Element verband jedoch alle Generationen und Zeiten: Die Musik. Rothenfels war und ist die „singende Burg“. Zum Repertoire gehörten alte bündische Lieder, ergänzt durch das „Altenberger Singebuch“, den „Turm“ und die „Mundorgel“. Es wurde vielstimmig gesungen und auf Instrumenten musiziert. Diese Tradition des gemeinsamen Singens wurde besonders vom 1967 gegründeten Quickborn-Arbeitskreis aufgenommen und engagiert weitergeführt.
